Für den diesjährigen Fachtag unseres Netzwerks kooperierten wir mit der Sozialwissenschaftlerin Prof. Nadine Jukschat (Hochschule Zittau/Görlitz) und dem in Entstehung begriffenen Görlitzer Projekt des Förderprogramms Zukunftswege Ost. Am 25. Oktober 2025 kamen in Görlitz Fachkräfte, Studierende, Wissenschaftler*innen und weitere Interessierte und Involvierte aus Jugendarbeit, Sozialer Arbeit, Verwaltung, Wissenschaft und Zivilgesellschaft zusammen, um gemeinsam über die Situation der Jugendarbeit in Ostsachsen zu diskutieren.
Im Zentrum des Fachtags stand die Auseinandersetzung mit der Geschichte und Gegenwart sogenannter akzeptierender Jugendsozialarbeit. Ausgangspunkt war die Frage, wie Jugendarbeit in Ostsachsen heute demokratisch, professionell und verantwortungsvoll gestaltet werden kann.
In den Panels wurde sichtbar, wie stark Erfahrungen, Konzepte und Versäumnisse aus den 1990er Jahren bis heute nachwirken und wie unterschiedlich sie bewertet werden. Die Beiträge machten zentrale Spannungsfelder deutlich, etwa zwischen Beziehungsarbeit und Haltung, zwischen Offenheit und klaren Grenzen sowie zwischen dem Anspruch demokratischer Bildung und den realen Rahmenbedingungen vor Ort. Akzeptanz wurde in diesem Zusammenhang als ambivalentes Prinzip diskutiert: als Voraussetzung für den Aufbau von Beziehungen, zugleich aber als Risiko, wenn menschenfeindliche Haltungen relativiert werden.
Immer wieder stellte sich die Frage, wo Grenzen verlaufen müssen und ab wann Nicht-Eingreifen selbst zur Haltung wird. Deutlich wurde dabei, dass Haltung nicht als moralischer Zeigefinger verstanden wurde, sondern als professionelle, reflektierte Positionierung. Zugleich zeigte sich, dass diese Haltung teilweise in Konflikt mit Anforderungen wie Offenheit, Beziehungsarbeit und Freiwilligkeit steht. Jugendarbeit bewegt sich damit dauerhaft im Spannungsfeld widersprüchlicher Erwartungen.
Neben diesen fachlichen Fragen rückten auch die strukturellen Rahmenbedingungen in den Blick. Ressourcenknappheit, prekäre Beschäftigung, politische Einflussnahmen und das Wegbrechen von Angeboten wurden als Faktoren benannt, die demokratische Jugendarbeit erschweren. Dort, wo staatliche und zivilgesellschaftliche Strukturen fehlen, entstehen Räume, die von antidemokratischen Akteur*innen genutzt werden können. Gleichzeitig wurden Alternativen und Handlungsperspektiven diskutiert, darunter Ansätze politischer Bildung, demokratischer Beteiligung, präventiver Arbeit und klar positionierter Jugendarbeit. Deutlich wurde, dass demokratische Jugendarbeit aktive Gestaltung braucht sowie den Mut, Konflikte auszutragen.
Besonders in der Podiumsdiskussion am Nachmittag zeigte sich, dass es keine einfachen Antworten auf die beschriebenen Herausforderungen gibt. Vertreter*innen aus Praxis, Verwaltung und Wissenschaft beschrieben die Lage der Jugendarbeit in Ostsachsen als geprägt von Unsicherheit, Ressourcenknappheit und widersprüchlichen Erwartungen. Zugleich wurde immer wieder betont, dass Jugendarbeit nicht neutral sein kann, wenn demokratische Grundwerte infrage gestellt werden.
Insgesamt brachte der Fachtag eine Vielzahl an Stimmen, Gedanken und Impulsen zusammen, die als Ausgangspunkt und Orientierung für die weitere Auseinandersetzung mit der Situation und den Perspektiven der Jugendarbeit in Ostsachsen dienen können.
Als ausgewählte Fokusregion des Programms „Zukunftswege Ost“ haben wir mit einer fünfjährigen Förderung die Möglichkeit, eben diese Impulse, Erkenntnisse, Fragen und Wünsche mitzunehmen und gemeinsam mit jungen Menschen und dem Potenzial erfahrener Akteur*innen unsere Region zu gestalten. Eine öffentliche und strukturelle Diskussion über die Situation der Jugend und der Jugendsozialarbeit im Landkreis Görlitz soll aktiv und und zu Gunsten einer soliden Zukunftsperspektive gestaltet werden.
Wir bedanken uns herzlich bei allen Mitwirkenden und Teilnehmenden, auch und vor allem
bei der Gemeinschaftsinitiative Zukunftswege Ost, dem Förderprogramm Weltoffenes Sachsen und der Hochschule Zittau/Görlitz.
