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Statement grenzwertig desintegrativ​

Persönlichkeitsrechte

Die Nutzung lokaler Medien kann derzeit etwas verstören. Regelmäßig erfährt man da, dass sich Menschen unter lebensbedrohenden Bedingungen über die Grenzen aus Polen und Tschechien nach Deutschland begeben. Die Menschen, die dies tun, haben lange Wege hinter sich. Mitunter sind sie tagelang ohne Essen, zusammengepfercht in völlig überladenen Transportern unterwegs, bevor sie in unserer Region eintreffen und sich angekommen wähnen auf der Suche nach einem menschenwürdigen Leben mit einem gewissen Maß an Ordnung, Sicherheit und Freiheit. Die Schicksale dieser Menschen, die gesellschaftlichen Verhältnisse, aus denen sie fliehen, die extremen Strapazen, die sie dafür auf sich nehmen, werden hier zu wenig thematisiert. Migration ist zu einem Kampfbegriff geworden, der Diskurs darüber ist stark polarisiert. Worüber jedoch Einigkeit bestehen sollte, sind Anstand und Humanität.

 
Doch gerade da kommt der Journalismus als prägender Diskursteilnehmer inzwischen immer mehr ins Straucheln. Welchen journalistischen Mehrwert bietet denn ein Bild aus dem Laderaum eines Transportfahrzeugs? Was illustriert ein Foto einer Personengruppe nach dem Aufgriff durch die Bundespolizei? Einige Bilder wurden nur oberflächlich oder teilweise auch gar nicht anonymisiert. Das wirft die Frage auf, wo die Persönlichkeitsrechte dieser Menschen bleiben? Und, warum finden solche Bilder überhaupt immer wieder ihren Weg in die Lokalpresse? Beispiele für diese Praxis finden sich in den letzten Monaten immer wieder (s. Belegliste unten).
 
Als Demokratie AG Ostsachsen kritisieren wir diese entwürdigende Praxis entschieden. Gegenüber dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit, dem die Presse zu entsprechen hat, überwiegen hier eindeutig die schutzwürdigen Interessen der Betroffenen. Für die zum Zeitpunkt der Veröffentlichung solcher Bilder unbekannten Personen, die aus Diktaturen, vor Krieg, Verfolgung und Gewalt fliehen, besteht unter Umständen Gefahr für Leib und Leben. Die Darstellung von geflüchteten Personen mit oder ohne direkten Themenbezug ist überdies nichts, was in irgendeiner Art und Weise zur Informationsweitergabe beiträgt. (Ohne direkten Themenbezug meint hier die bildliche Darstellung von geflüchteten Personen nach dem Aufgreifen der Bundespolizei in Artikeln, die sich beispielsweise mit Sozialleistungen für Geflüchtete beschäftigen (siehe Artikel 2), mit dem Aufgreifen an sich aber nichts zu tun haben).
 
Im Gegenteil werden die extremen Umstände der Flucht als Medienspektakel inszeniert. Im Tenor eines „schon wieder“ werden die Berichte vor allem auf die Zahl der Menschen und die Häufigkeit der Einschleusung zugespitzt. Dabei wird weniger das Elend der geflüchteten Personen zu Bewusstsein gebracht. Die Publikation von (kaum oder gar nicht anonymisierten) Fotos aus dem Moment, da Geflüchtete durch die Bundespolizei aufgegriffen werden, bewerten wir viel mehr als Beitrag zur Stimmungsmache gegen geflüchtete Menschen. 
Eine Darstellung des problematischen Aktes der Schleusung unter menschenunwürdigen Bedingungen darf nicht zu Lasten der Persönlichkeitsrechten von Betroffenen erfolgen. Als Grundpfeiler der Demokratie und unseres demokratischen Miteinanders sollten Medien sich nicht den gleichen emotionalisierenden Werkzeugen bedienen, wie antidemokratische populistische Strömungen. Durch eben jene Bebilderung von Artikeln werden  aber Überfremdungsängste geschürt werden und ankommende Menschen von vorn herein in einen Problemkontext gesetzt. Der Fokus bei der Informationsvermittlung sollte jedoch auf sachlicher Analyse und der Erläuterung von Fluchthintergründen liegen.

Anhang Artikel zu Geflüchteten mit Bildern:

(bis Mitte September)