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Gefährliche Lücke: Warum der Kampf um Jugendarbeit ein Kampf um die Demokratie ist


Statement zum Aus des Jugendrings Oberlausitz

Die Insolvenz des Jugendrings Oberlausitz ist mehr als das Ende eines Trägers der Kinder- und Jugendarbeit – sie ist ein erschreckendes Beispiel für den Zustand demokratischer Strukturen in der Oberlausitz. Sie lenkt den Blick auf ein strukturelles Problem, das weit über den Landkreis Görlitz hinausreicht: die fortschreitende Erosion von Angeboten, die Kindern und Jugendlichen Perspektiven und Orientierung bieten.

Die Bedingungen, unter denen Kinder- und Jugendarbeit hier geleistet wird, sind seit Jahren prekär. Öffentliche Mittel sind knapp, Projektfinanzierungen oft kurzfristig und unsicher. Das ständige Bangen um Förderungen lässt keine langfristige Arbeit zu. Gleichzeitig geraten genau die jungen Menschen, die eine starke demokratische Haltung am dringendsten brauchen, in den Einflussbereich rechter Netzwerke.

Denn wo Jugendarbeit wegbricht, entsteht eine gefährliche Leerstelle – und diese wird schnell besetzt. Rechte Gruppierungen sprechen mit aktionsorientierten Angeboten wie beispielsweise Kampfsport gezielt Jugendliche an. Gleichzeitig gibt es Lehrer*innen und weitere Akteure in sensiblen Bereichen, die ungestört rechte und verschwörungsideologische Inhalte verbreiten können. Für Kinder und Jugendliche, die auf der Suche nach Zugehörigkeit und Identität sind, wird das ein verführerisches Angebot: Gemeinsam Bier trinken, gemeinsam Parolen sprühen, gemeinsam den Hass kultivieren. In extremen Fällen führt dieser Weg bis hin zu terroristischen Strukturen – in Sachsen längst Realität.

Vor wenigen Wochen zeigte die 19. Shell-Jugendstudie, dass sich mehr Jugendliche denn je politisch interessieren und positionieren. Das wäre an sich unproblematisch, wenn nicht ein wachsender Anteil dieser Jugendlichen eine politische Verortung weit rechts einnehmen würde. Besonders auffällig ist dies bei männlichen Studienteilnehmern, von denen sich 41 Prozent rechts der Mitte sehen. Dem allgemeinen Trend in der ostdeutschen Gesellschaft folgend, nimmt die Zufriedenheit mit der Demokratie und damit auch die Zustimmung zu ihr unter den ostdeutschen Jugendlichen ebenfalls signifikant ab.

Die Abwanderung junger und gebildeter Menschen verschärft die Lage zusätzlich. Wer eine offene, demokratische Haltung vertritt, sieht in der Oberlausitz oft keine Perspektive und zieht fort. Übrig bleiben diejenigen, die die Region zunehmend als „ihre Heimat“ gegen „die Anderen“ abschotten wollen. Damit entsteht ein Teufelskreis: Weniger Engagement, weniger Gegenwehr, mehr Raum für rechte Akteure.

Die Insolvenz des Jugendrings Oberlausitz ist ein Wendepunkt – nicht, weil es vorher rosig war, sondern weil die Spirale der Erosion nun unübersehbar ist. Andere Träger bangen bereits um ihre Existenz. Das Aus für den Jugendring hat zudem einen strukturellen Dominoeffekt: Für alle Mitgliedsvereine, die eine Anerkennung als freie Träger der Jugendhilfe über den Jugendring Oberlausitz e.V. als Dachverband beantragt haben, entfällt eben diese. Zum neuen Jahr wurde nun auch das Jugendzentrum Holz in Niesky geschlossen, zudem wurden die Arbeiten des Flexiblen Jugendmanagements im Landkreis Görlitz sowie die Aktivitäten in der Kinder- und Jugendarbeit in Niesky, Reichenbach und Weißwasser eingestellt. Gerade Städte wie Görlitz, Reichenbach und Weißwasser zählen mit Blick auf die Situation der Jugend im Landkreis zu den Brennpunkten.

Es braucht schon seit langem, doch jetzt umso mehr, eine klare politische Prioritätensetzung: Kinder- und Jugendarbeit darf nicht länger als verzichtbare Randaufgabe behandelt werden. Demokratiestärkende Angebote müssen dauerhaft und verlässlich finanziert werden. Denn wenn wir zulassen, dass die Demokratie vor Ort scheitert, überlassen wir das Feld genau den Kräften, die sie zerstören wollen.

Wer das verhindern will, der muss die Finanzierung der Jugendarbeit zur Pflichtaufgabe erklären und das besser gestern als morgen.