Das Jahr neigt sich dem Ende zu. Hinter uns liegen eine Vielzahl queerer Veranstaltungen, etwa die Queer Cinema Week in Görlitz und die CSDs in Görlitz und Zittau, deren Teilnehmende sich mit teils gewaltbereiten rechtsextremen Gegendemonstant*innen konfrontiert sahen (Q1, Q2, Q3).
Queere Menschen und ihre Unterstützer*innen in Ostsachsen setzen sich für Sichtbarkeit und Gleichberechtigung ein, organisieren Workshops, Konzerte und weitere Veranstaltungen und sehen sich dabei zunehmend rechten Diskursen ausgesetzt, in denen sie verunglimpft, beleidigt oder abgewertet werden. Teilnehmende ostsächsischer CSDs wurden in den letzten Jahren (bspw. in Bautzen) von Neonazis bedroht und teils sogar angegriffen (Q4).
Diese Erfahrungen spiegeln sich auch in aktuellen Erhebungen wider: Beim Sachsenmonitor 2023 gaben gar 30 Prozent der Befragten eine menschenfeindliche Haltung gegenüber gleichgeschlechtlich lebenden Menschen an. Eine Publikation des Queeren Netzwerks Sachsen dokumentiert zudem umfangreiche Diskriminierungs- und Gewalterfahrungen von LSBTTIQ*-Personen in Sachsen. In der Studie wurden 267 Betroffene erfasst, von denen 259 innerhalb der fünf Jahre vor der Erhebung Beleidigungen erfahren hatten (Q5).
Im Netzwerk „Demokratie AG Ostsachsen“ setzen sich unterschiedliche Träger unter anderem für Belange und Sichtbarkeit queerer Menschen ein. Dies geschieht über das Bereitstellen von Räumen, Workshops, Konzerten, Vernetzungsangeboten, Beratung und Unterstützung beim Bewältigen von Gewalterfahrungen oder Diskriminierungen durch das Umfeld.
Anhand von Publikationen wie „Sachsen Rechts unten 2025“ (Q8) des Kulturbüros Sachsen wird deutlich, dass wir trotz der verfassungsmäßigen Verankerung der Gleichberechtigung aller Menschen im Grundgesetz (bspw. sächsische Verfassung Art 18 (Grundrechte)(Q6)) von einer echten Gleichberechtigung noch weit entfernt sind. Mit Hilfe verschiedener Umfragen und der Dokumentation von Vorfällen zeigt sich, dass es sich bei queerfeindlicher Gewalt nicht um lose Einzelfälle oder individuelle Gewalterfahrungen handelt, sondern um ein strategisches Vorgehen auf einem ideologisch gefestigten Untergrund, welcher der freiheitlich demokratischen Grundordnung entgegensteht. Dies unterstreicht die Notwendigkeit von Projekten und Strukturen, die Betroffene unterstützen und Aufklärungsarbeit leisten.
Dem Staat obliegt die Aufgabe, Menschen zu schützen. Nun ist in Sachsen die als „gesichert rechtsextrem“ eingestufte AfD zweitstärkste Kraft im Landtag (wie auch unter den Erstwählenden) geworden, und hat bei der Bundestagswahl Anfang 2025 die meisten Stimmen in allen Wahlkreisen in Ostsachsen erhalten (Q9).
Dies stärkt die Präsenz rechter Narrative, welche sich auch auf die Aufklärungsarbeit an Schulen auswirken und eine Delegitimierung wissenschaftlicher Erkenntnisse („Gender-Ideologie“) zur Folge haben kann. Grundrechte, die sich queere Menschen, aber auch andere von Diskriminierung betroffene Gruppen erkämpft haben, sind dadurch in Gefahr.
Ultrakonservative Stimmen stilisieren vermehrt traditionelle Lebensentwürfe à la „Mann, Frau, ein paar Kinder“ als einzig normalen Lebensweg und versuchen gleichgeschlechtliche Liebe und/oder geschlechtliche Identitäten abseits von endo-cis- männlich oder -weiblich als „krank“ zu diffamieren (Q10). Die Verbreitung solchen Gedankenguts findet bei Demonstrationen gegen CSDs, im Internet, aber auch im Alltag statt. Laut Bundeskriminalamt (Q11) nahm die politisch motivierte Kriminalität gegen queere Menschen zu.
Deshalb braucht es Schutzräume, Sichtbarkeit und Aufklärung. Zivilgesellschaft und Politik dürfen dieses erhöhte Risiko für Gewalt nicht einfach in Kauf nehmen. Gerade jetzt ist es wichtig, auch in strukturschwachen Regionen Angebote zu schaffen und für die Diversität von Lebensentwürfen zu sensibilisieren. Queere Menschen leben überall, doch nicht überall im gleichen Maße sicher. Das prägt das Lebensgefühl und führt auch dazu, dass junge qualifizierte Menschen die Region verlassen, wenn sie die Möglichkeit dazu haben. Auch potentielle Fachkräfte, bisweilen sogar Unternehmen entscheiden sich gegen die Region, wenn das Sicherheitsgefühl eingeschränkt ist (Q12 Q13).
Wir appellieren an Zivilgesellschaft und Politik, sich dafür einzusetzen, bestehende Aufklärungs-, Vernetzungs- und Schutzstrukturen aufrechtzuerhalten und auszubauen um unseren demokratisch vereinbarten Werten gerecht zu werden. Die Grundrechte sind dabei vor politischer Instrumentalisierung zu schützen und dürfen nicht zur Disposition gestellt werden.
Quellen, abgerufen im Dezember 2025:
Q1: https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen/bautzen/goerlitz-weisswasser-zittau/angriff-linke-csd-rechtsextremismus-100.html
Q2: https://www.siegessaeule.de/magazin/laut-sichtbar-unbeirrt-von-rechter-hetze-csd-goerlitz-zgorzelec-2025/
Q3: https://www.saechsische.de/lokales/goerlitz-lk/goerlitz/goerlitz-und-der-csd-so-verliefen-die-demonstration-und-der-rechte-gegenprotest-YZAMFCDGR5DBZC7LJUCHQDOHJE.html
Q4: https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/csd-bautzen-gewalt-aufmarsch-mit-ansage-145981/
Q5: https://www.queeres-netzwerk-sachsen.de/eigene-publikationen/
Q6:https://www.revosax.sachsen.de/vorschrift/3975-Verfassung#a18
Q7: https://www.antidiskriminierungsstelle.de/DE/ueber-diskriminierung/recht-und-gesetz/allgemeines-gleichbehandlungsgesetz/allgemeines-gleichbehandlungsgesetz-node.html
Q8: https://kulturbuero-sachsen.de/download/14407/?tmstv=1765143651
Q9: https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen/politik/bundestagswahl-ergebnis-afd-gewinner-100.html
Q10: https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/geschlecht-familie-ziele-afd/
Q11: BKA – Factsheet: Bundesweite Fallzahlen 2024 Politisch motivierte Kriminalität, S. 11
Q12: https://www.vielfalt.sachsen.de/studie-lebenslagen-von-lsbtiq-personen-in-sachsen-4152.html
Q13:https://www.saechsische.de/lokales/bautzen-lk/rechtsruck-in-der-oberlausitz-soil-diagnostix-zieht-von-kirschau-nach-dresden-2DUQD4NPFJAVFIVX7B4MOHKFWY.html
